Sticken, die fast vergessene Handarbeit

02.09.2020

Meine Tochter hat in diesem Jahr die Grundschule beendet. Und so stand vor den Sommerferien das Abschiedsgeschenk für ihre bisherige Lehrerin an. Schnell stand fest: wir machen ein Buch in dem jedes Kind der Klasse eine Seite ganz individuell für die Lehrerin gestalten kann. Ich staunte nicht schlecht, als meine Tochter verkündete: „Mama, ich will was sticken!“ Ein Motiv war schnell gefunden. „Ich mach `ne Blume. Kannst du mir die vormalen?“ Kaum gesagt, verschwand das Kind in der Kiste mit den Stoffresten und zog selbstsicher einen Gardinenrest heraus auf dem sie sticken wollte. Da das Kind bisher noch nie eine Sticknadel in der Hand hatte, glaubte ich ehrlicherweise nicht so recht an den Erfolg des Projekts. Wollte sie aber auch nicht schon vor Beginn entmutigen. Also gesagt, getan. Mama malt, das Kind stickt. Ich sage euch, sie hat mich ganz schön überrascht mit ihrem Ehrgeiz, Enthusiasmus und nicht zuletzt mit dem Ergebnis.

Blumenstickerei

Julias erstes Stickdesign

Diese Begebenheit ist der Impulsgeber gewesen, mich mal ein wenig intensiver mit dem Sticken zu beschäftigen und ich möchte euch einladen, mit mir heute eine kleine Zeitreise durch die Geschichte des Stickens zu machen. Denn, und das war auch für mich bisher neu, das Sticken ist sogar noch älter als das Stricken.

Erste gestickte Verzierungen auf Kleidung konnten von Archäologen ca. auf den Zeitraum um 5000 v. Chr. datiert werden. Erste Strickmaschen hingegen, noch in der Technik der Nadelbinderei ausgeführt, sind erst um 300 v. Chr. entstanden.

Tischdecke und Kissenhülle - Geometrische Blumen

Modernes Sticken: Tischdecke und Kissenhülle - Geometrische Blumen

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Sicher ist heute, dass es wohl nicht den einen Geburtsort des Stickens gab. Denn die bestickten Funde wurden wohl im gleichen Zeitraum und unabhängig voneinander in den Bereichen des heutigen China, Ägypten und Südamerika angefertigt. Die Technik war durchaus ähnlich, doch besonders in der Motivwahl unterschieden sich die Stickarbeiten deutlich. So ist erkennbar, dass besonders im Raum China, Ägypten und sogar in Indien eher geometrische Formen als Schmuck für Kleidung beliebt war. Die Assyrer hingegen bevorzugten Darstellungen von Menschen- und Tiergestalten. Später wurden diese Motive von den Römern adaptiert und weiterentwickelt.

Und bereits bei den Römern zeichnete sich der spätere Werdegang und die Bedeutung des Stickens ab. Schon hier war das Sticken und insbesondere das Tragen von Stickereien der Oberschicht vorbehalten. So finden wir heute noch kostbare Stickereien auf den Gewändern der römischen Kaiser und Konsuln.

Das dunkle Mittelalter.

In der Zeit, die eher für Ritter und katastrophale hygienische Zustände bekannt ist, wurde die Stickkunst über orientalische Handelswege zuerst nach England gebracht und verbreitete sich schnell über das Burgund über das europäische Festland.

Und so erlebte das Sticken bereits im 14. Jahrhundert seine erste Hochphase. Als Privileg der Adligen und Geistlichen war es Pflicht einer jeden jungen Dame aus guten Hause Sticken zu können. Die prachtvollen Stickereien, die früher Klöster, Kirchenräume und Burgen sowie Schlösser schmückten sind häufig noch heute zu bewundern und waren damals Prestigeobjekt und Zeichen des Wohlstands zugleich. Selbst die Krönungsmäntel der römisch-deutsche Kaiser verzierten stets kostbare von Hand gestickte Motive.

Stickbild - Herbstkranz

Stickbild - Herbstkranz

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Sticken ist Luxus.

Dabei ist es nicht verwunderlich, dass die Stickkunst ausschließlich in bessren Kreisen praktiziert wurde. Denn die feinen Stoffe und noch feineren und vor allen Dingen gefärbten Garne zum Sticken kosteten kleine Vermögen. Und selbst wenn sich die einfachen Bürger solche Schätze hätten leisten können, so fehlte doch durch die tägliche körperliche und anstrengende Arbeit die Zeit und die Energie sich einer so detailreichen Handarbeit zu widmen.

Die Biedermeierzeit.

Anfang des 19. Jahrhunderts gewann das Sticken mit den zunehmenden Bildungsniveau dann endlich auch im bürgerlichen Bereich an Bedeutung und entwickelte sich von der Anfertigung nützlicher Gegenstände schließlich zur beliebten Freizeitbeschäftigung. Damen aus dem Bürgertum und Adel trafen sich zur nachmittäglichen Teestunde um sich auszutauschen und dabei ging es sicherlich nicht immer nur um neue Stickmuster und Vorlagen. Und doch entwickelte sich schließlich in diesem Umfeld die Stickerei weiter und es entstanden viele neue Stiche und Techniken wie zum Beispiel die Hardanger-oder Ajour-Stickerei.

Stickbild - Tiere des Waldes

Besonders schön als Geschenk: Stickbild - Tiere des Waldes

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Sticken im Hier und Jetzt.

Und auch heute erfreut sich das Sticken wieder wachsender Beliebtheit. Denn die Möglichkeiten sind Vielfältig wie bei nur wenigen Handarbeitstechniken. Angefangen von der Motiv-Wahl, dem Untergrund bis hin zu den ausgeführten Stichen kann sich wirklich jeder mit dem Sticken ganz frei und individuell entfalten. Und das „Malen“ mit Nadel und Faden hat dabei sogar noch einen positiven Nebeneffekt. Denn neben dem kreativen Aspekt ist das Sticken fast schon meditativ. Denn die Stickerei fordert schon etwas Ruhe und Konzentration. Wir Strick-Liebhaber kennen das: man versinkt ganz in seiner Handarbeit.

Viele Menschen finden Gefallen an bestickter Kleidung, zauberhaften Bildern und wunderschönen Tischdecken. Doch leider trauen sich ebenso viele häufig nicht an das Thema Sticken heran, weil sie glauben, dass diese Handarbeit einfach viel zu schwierig ist, um als Einsteiger wunderschöne Ergebnisse zu erhalten.

Doch ich versichere euch, Sticken ist nicht so schwer wie es aussieht. Wer jetzt auch Lust bekommen hat, sich am Sticken zu versuchen, der findet hier unsere schönsten Stickideen für Einsteiger.

Baumwoll-Tischwäsche - Klassisch-Blau

Einfach zu sticken: Baumwoll-Tischwäsche - Klassisch-Blau

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